Stadtverordnetenversammlung am 15.5.23

Die Tagesordnung dieser Sitzung versprach wenig Spektakuläres, aber zumindest atmosphärisch war spürbar, wie die SPD nach jahrzehntelanger Dominanz in Magistrat und Verwaltung versucht, sich auf ihre Oppositionsrolle einzustellen.

Auf unsere Anfragen in der Fragestunde gab es eher schwammige Antworten, so etwa auf die Frage von Jenny Schirmer, wie denn der Stand der jährlichen Anpassung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft sei. Ebenfalls aufschlussreich nichtssagend die Auskunft von Noch-OB geselle auf die Anfrage von Lutz Getzschmann danach, welche Anpassungen durch Einführung des 49,-Euro-Tickets beim Jobticket der Stadt Kassel geplant seien. Erstmal keine, obwohl das Jobticket der Stadt jetzt eben teurer ist als das Deutschlandticket und es mittlerweile auch etliche Kündigungen des Jobtickets durch Mitarbeiter gibt. Die Mehrkosten der notwendigen Anpassung beim Jobticket schätzt Geselle mit 2,5 Millionen Euro. Ob dies eine realistische Kalkulation oder eine Märchenzahl zur Abwimmelung entsprechender Anträge ist, darf dann demnächst mit seinem Nachfolger als Kämmerer, Oliver Nölke von der FDP, diskutiert werden.

Interessant war der Antrag der Linksfraktion, endlich die gewerbliche E-Scooter-Vermietung zu regeln und den Wildwuchs zu beenden, der dazu führt, dass Scooter überall im Stadtbild auf Fuß- und Radwegen herumstehen bzw. herumliegen und dadurch auch reale Gefahrenpunkte, etwa für Radfahrer im Dunkeln sein können. Unser Antrag sah eine Begrenzung der Anzahl von Fahrzeugen und die Einrichtung von Parkzonen vor, in denen die E-Scooter abgestellt werden müssen. Diese Parkzonen sollten vorwiegend am Ende von ÖPNV-Strecken für die „letzte Meile“ eingerichtet werden. Verantwortlich für das korrekte Abstellen von E-Scootern sollen natürlich die Verleiher. sein. Und um reale Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Betreibern zu haben, halten wir die Erhebung von Gebühren für sinnvoll, die auch Kosten für falsch abgestellte E-Scooter vorsehen. Das Ordnungsamt soll illegal abgestellte E-Scooter auf Kosten der Verleiher einsammeln und verwahren. Zudem soll die Zulassung auf E-Scooter beschränkt werden, die über eine Mindesthaltbarkeit von 5 Jahren sowie einen auswechselbaren Akku verfügen. Und schließlich sollen die Verleiher der Stadt Nachweise für die umweltgerechte Entsorgung ausgelisteter E-Scooter vorlegen.

Die Diskussion über die Wildwest-Manier, in der private Anbieter ihre Gefährte im Stadtgebiet verstreuen und keinen Beitrag zur Verkehrswende leisten, sondern eher zur Zunahme des herumliegenden Elektroschrotts, geht jetzt schon seit Jahren. Deutlich wurde in der Stadtverordnetensitzung am letzten Montag, dass die Jamaika-Koalition in dieser Hinsicht gar nichts regeln will, sondern unseren recht konkreten Antrag mit einem ziemlich beliebigen Berichtsantrag konterte, in dem alles offengehalten wird, obwohl bereits vor über einem Jahr von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde, dass der Magistrat ein Gesamtkonzept für die Abstellsituation der E-Scooter vorlegen solle. Dagegen gestimmt hatte damals übrigens der heutige Koalitionspartner FDP, was erklären könnte, warum die Umsetzung dieses Beschlusses jetzt bis auf den Sankt-Nimmerleinstag geschoben wird. Unser Antrag wurde dementsprechend natürlich abgelehnt, der Berichtsantrag der Koalition hingegen beschlossen.

Insgesamt war die Stimmung dieser Sitzung dadurch gekennzeichnet, dass die SPD-Fraktion bei weitgehend unspektakulärer Tagesordnung versuchte, als kämpferische Opposition aufzutreten, was an ein paar Stellen unfreiwillig komisch wirkte, weil die SPD-Stadtverordneten immer wieder gezwungen sind, eine Magistratspolitik mit scharfer Kritik zu überziehen, die sie mit geringen Variationen bis vor kurzem selber betrieben haben.

Bericht: Lutz Getzschmann